Das Jahr 2020

FÜNF 🙂 Es war heuer der fünfte volle Werklwochensommer. Heuer möchte ich den Jahresrückblick mit ein bisserl mehr Zahlen als sonst spicken. Es gab die Werkelwoche ja schon lange vor 2016, aber davor waren es nur 1 bis 2 Wochen im Sommer. Die erste Werklwoche war im Jahr 2006. Im Zuge meiner Trennung und der daraus entstandenen finanziellen Krise, musste ich mir was einfallen lassen – und so sind diese Wochen im Sommer mit viel Natur, viel Handwerk und viel Freiheit entstanden. Sie waren ursprünglich dafür gedacht, die Fixkosten für mein Häuschen im Wienerwald reinzubringen, um mir so weiterhin zu ermöglichen, dort den Sommer zu verbringen. Das hat über Jahre hinweg gut geklappt. Durch eine zweite veritable Krise mit der Obrigkeit in der Schule ist mein Plan, diese Werklwochen auszubauen und die Schule hinter mir zu lassen, entstanden. Im Jahr 2016 gab es dann den ersten wirklich größer angelegten Werklwochensommer und seit 2017 finden jeden Sommer sieben Wochen statt. Was solche Krisen so alles hervorbringen, was aus solchen Notlagen alles entstehen kann!

Fünf - ist in unserem dekadischen Zahlensystem auch sowas wie eine „runde“ Zahl. Fünfjähriges Firmenjubiläum wäre jetzt wohl ein bisserl zu hoch gegriffen, aber so was Ähnliches, nur halt ein bisserl niedriger gegriffen, ist es sehr wohl.

2020 war auch das Jahr, in dem es keine Umbauvorhaben mehr gab. Nur der Küchenboden musste neu verlegt werden, aber das ist ja fast nix im Vergleich zu dem, was da in den letzten Jahren so alles passiert ist. Ich war voller Erwartung, dass dieses Jahr ein leichtes und gutes werden würde. Doch schon im Jänner musste ich feststellen, dass nach all dem Umbauen sich nicht Entspannung und Leichtigkeit breit machten, sondern nur Erschöpfung. Und bald war auch klar, dass es in der Winterpause keine großen schöpferischen Akte geben wird, sondern nur kleine gestalterische Schritte. Auftanken und wieder Kraft sammeln war angesagt. Und auch wenn die kleinen Schritte bedeutet haben, an etwas gestalterisch anzuschließen, an dem ich 2018 schon mal dran war, an der Weiterentwicklung und Neuinterpretation von Gehäkeltem und Gesticktem, so sind doch ein paar nette Objekte entstanden und das hat meiner Seele wiederum gut getan.

So kleine, überschaubare Präge und Stickarbeiten waren da genau das richtige, wenn man sich nicht wie gewohnt kräftig fühlt.

Zu diesem, nicht gerade berauschenden Zustand, kam dann auch noch der Wechsel. Als weibliches Wesen mit 52 Jahren habe ich da wirklich herausfordernde Zeiten erlebt, wobei das tägliche, gefühlt 50-mal Pullover Aus- und Anziehen noch das geringste Übel war. Seelenhochschaubahnfahrten und ein Hirn, das scheinbar einfach so zwischendurch seine Funktion runter fährt, haben mir arg zu schaffen gemacht. Es kam mir vor wie ein „Körper-Aus-Wechsel“. Ich musste mit diesem anderen Körper erst umgehen lernen, ihn erst kennen lernen,… Naja – mittlerweile bin ich wieder ganz guter Dinge und kann es als Herausforderung sehen und habe mich entschieden, diese anzunehmen.

Gegen Ende Februar, wenn die Sonne wieder zurück auf mein Grundstück kommt, lege ich die ersten Samen zum Vorziehen in die Erde und auch die ersten Gedanken und Planungen für die bald wieder kommenden Gäste beginnen. Der Rückzug und die Winterauszeit enden langsam, das Chaos, das sich immer in meinem Haus einstellt, wenn ich alleine darin fuhrwerke, muss langsam zurückgedrängt werden und die Ideen und Gedankenblitze, was ich alles mit meinen Gästen machen möchte, müssen in die Ausprobierphasen übergeleitet werden. Gretas grünliche Eier waren ja prädestiniert für Ostereier der besonderen Art.

Nur noch die Eier, die wirklich in Klar und Dotter getrennt werden mussten wurden aufgeschlagen. Alle anderen fein säuberlich mit der Ständerbohrmaschine angebohrt und ausgeblasen. Der Inhalt wurde schon für den Sommer in Grießnockerl, Frittaten und Kuchen verarbeitet. Weil - die Eier meiner Hühner sind kostbar.

Die vielen Listen und Zetteln begannen sich in etwas systematischere Pläne zu fügen und ich war mit meinem Osterprogramm für heuer zufrieden.

Und dann begann Mitte März die Zeit des Planens in der Unplanbarkeit. Wieder eine ganz neue Erfahrung. Zuerst mal war alles für März und April geplante – schlicht nicht. Na gut – simma halt flexibel, kommt halt alles ein bisserl anders.

Aber eigentlich ist der April ja schon der Monat, in dem ich mit den Vorbereitungen für den Sommer beginne. Ich nahm mir vor, einfach so zu tun wie bisher. Merkte aber bald, dass es mir gar nicht möglich ist, ins Ungewisse zu planen. Also: planen ohne Ziel geht nicht. Aber nicht planen, geht schon gar nicht. Also wie denn jetzt bitte tun? Noch nie ist mir so bewusst geworden, wie sehr ich die Vorstellung in der Zukunft, die freudig fantasierte Idee von dem, was kommen wird, für mein Handeln im Hier und Jetzt brauche. Und so entwickelte ich das Prinzip: Was immer in der Zukunft möglich sein wird, ich möchte darauf vorbereitet sein und daraufhin geplant haben, damit, falls es stattfinden kann, auch stattfindet. Wissend, dass es allerdings auch sein kann, dass alles ganz anders kommt. Ein völlig neues Denkkonzept. Aber – aufgeben, jammern (länger als unbedingt nötig) oder vielleicht sogar in den Chor derjenigen einstimmen, die uns als ohnmächtig in den Fängen einiger weniger Weltenlenker sehen, wollte ich ganz sicher nicht.

Am 21. Mai kamen dann wieder liebe Gästinnen und auch an den folgenden Wochenenden hatte ich einigen Besuch.

Und Ende Mai zeichnete es sich dann schon ab: Auch der fünfte Werklwochensommer kann stattfinden. Was für ein Glück! Alles war geplant und vorbereitet und auch dieser Sommer war ein guter.

Heuer stand das Ich, die eigene Person, das Selbst als Thema über den Werklwochen.

Wir haben das eigene Gesicht, oder einfach Gesichter gezeichnet.

Wir haben das eigene Gesicht abgeformt und um so manche Elemente und Ideen erweitert.

Wir haben einem Stück Holz durch Bearbeitung mit Hammer und Kerbschnitzmessern Gesichter entlockt.

Wir haben die eigene Persönlichkeit ins Bild gesetzt.

Wir haben lehmige Erde aus dem Wald geholt und ihn mit den Händen zu Ton verarbeitet, um daraus kleine Schmuckstücke zu fertigen. Fast so wie vor tausenden von Jahren unsere Vorfahren es taten.

Und natürlich haben wir – wie jedes Jahr Freundschaftsbänder gemacht – heuer wurden sie gewebt.

Und natürlich haben wir – wie jedes Jahr – gedruckt, heuer war es Kordeldruck.

Und natürlich haben wir – wie jedes Jahr - Acrylbilder gemalt.

Das Tolle ist – ich weiß von fast jedem Bild die Entstehungsgeschichte und die Hintergründe. Es stecken so viele Gedanken, Zusammenhänge und Bedeutungen in diesen Bildern, dass es einem ganz warm in Hirn und Herz wird.

Und nach den vielen schönen Bildern jetzt zu den schönen Zahlen der letzten fünf Jahre.

So hat sich z. B. der Altersdurchschnitt folgendermaßen entwickelt:

2016 2017 2018 2019 2020
10,45 Jahre 9,18 Jahre 10,50 Jahre 11,21 Jahre 11,45 Jahre

Jetzt möchte man meinen, dass ein oder zwei Jahre im Durchschnitt nicht so viel ausmacht – weit gefehlt. Wenn von 2017 bis 2020 der Altersdurchschnitt um 2,27 Jahre steigt, hat das ziemliche Auswirkungen auf die Mengen, die sie so verputzen. Essensmengenplanungen und Kochtopfgrößen müssen da angepasst werden.

Es schmeckt nach wie vor- das ist fein.

Aber es gibt noch andere Möglichkeiten, sich Zahlen für die letzten fünf Jahre anzuschauen. Zum Beispiel die Verteilung nach Buben und Mädchen.

2016 2017 2018 2019 2020
75% Mädchen 60% Mädchen 68% Mädchen 77% Mädchen 80% Mädchen
25% Burschen 40% Burschen 32% Burschen 23% Burschen 20% Burschen

Diese Entwicklung finde ich ja nicht so ganz super, aber es kommt mir schon vor allem darauf an, dass diejenigen die kommen, die Natur, das Handwerk und den Freiraum bei mir genießen und nicht nur mit wirklich schönen Werkstücken nach Hause gehen, sondern auch mit viel handwerklicher Erfahrung, neuen Techniken und erweiterten Materialkenntnissen. Und vor allem das Erlebnis von der eigenen Idee im Kopf zu einem realen Ergebnis zu kommen und über all die kleinen Hürden des „Wie mach ich das?“, „Wie löse ich dieses Problem?“, bis „Was mache ich jetzt, damit es wirklich so wird, wie ich es haben möchte“ drüber zu springen. Damit prägt sich „Ich bin handlungsfähig, ich kann gestalten, ich kann planen und umsetzen,…“ ein. Das sind Erfahrungen, die ich als unendlich wichtig bewerten würde.

Und noch eine dritte Zahlenreihe möchte ich euch präsentieren. Die zeigt, wie viele von den Kindern und Jugendlichen wieder kommen.

2017 2018 2019 2020
54% 55% 72% 70%

Das ist einfach ein schönes Feedback.

12 Kinder sind heuer gekommen, die schon 2016 bei mir waren, einige davon sind schon 15 Jahre alt. Das ist eine besondere Freude für mich.

Und wieder mal hab ich Glück gehabt – wie gut, dass meine Wochen in so einem kleinen und persönlichen Rahmen stattfinden. Wenn es als Auflagen für Ferienbetreuung heuer eine maximale Gruppengröße von 20 Kindern gegeben hat, dann hat das für mich genau nix geändert. Und so konnten wir eigentlich einen fast ganz normalen Werklwochensommer verbringen.

Hier noch eine andere Art von Zahl, die sich über den Sommer geändert hat:

Seit Ende Juli ist sie auf meinem Auto zu sehen. Ich habe mich in Wien abgemeldet und habe jetzt in St. Corona Nr. 2, im Bezirk Baden, meinen Hauptwohnsitz.

Der September gehörte heuer mir und meinem Garten. Hab ich schon erwähnt, dass ich froh bin, dass die Umbauten erledigt sind? Kraft und Energie sind im Laufe des Jahres wieder zurückgekehrt und ich konnte diese Tage sehr genießen.

Im Laufe dieses Monats trudelten dann so viele Wochenendbuchungen ein, dass ich einerseits sehr froh war, andererseits gar nicht wusste, ob das nicht doch ein bisserl viel wird. Wenn in drei Monaten nur ein einziges Wochenende frei ist, dann ist das auch ein schönes Feedback. Und so begann ich mein Zettel- und Listenchaos ein bisserl zu professionalisieren. Ein Mapperl für die Werkl- und Speisepläne wurde angelegt – und dann kam die Zeit des Planens in der Unplanbarkeit doch noch mal zurück. Diesmal konnte ich es aber ziemlich entspannt nehmen. Ich hatte das Glück, einen ausgebuchten Sommer und so keine finanziellen Sorgen zu haben. Es macht einfach so frei, so wenig Geld zu brauchen. Und so konnte ich alle Wochenenden, die mir im November ausfielen, zum Ausschlafen nutzen, ich konnte meine eigenen Kinder am Wochenende sehen und ich hatte Zeit für ein paar wahre Luxusdinge.

Spazieren gehen dann, wenn die Sonne scheint.

Baden dann, wenn ich finde, dass es passt.

Gewand nähen – ein bisserl schräg, ein bisserl lustig und einfach bequem.

Und ich konnte mich stundenlang meiner neuen Kalenderhülle für das Jahr 2021 widmen.

Diese acht Stein- oder Ziegenböcke werden mich durch das Jahr 2021 begleiten. Jetzt könnte man vielleicht meinen, dass das voll unnötig ist. Aber das eben ist mein Luxus, tagelang mit dem lustvollen, voll unnötigen Sticken eines Kalendereinbandes zu verbringen und mich dann 365 Tage darüber zu freuen, was für einen besonderen Kalender ich habe. Sieht das nicht wie ein Buchdeckel eines ganz speziellen Märchenbuches aus? Vielleicht wird ja 2021 ein märchenhaftes Jahr.