Das Jahr 2022

Es sind wieder keine spektakulären Berichte über Neuerungen, Umbauten und Veränderungen in diesem Rückblick zu lesen. Das ist ja alles schon Geschichte. Der Ablauf der Jahre wird vertraut, sie ähneln sich in vielem, und trotzdem hat jedes Jahr dann doch wieder etwas Besonderes. Das Besondere am Jahr 2022 war, dass ich so viele Wochenendgäste hatte wie noch nie. Das ist einerseits erfreulich, weil es einfach eine sehr schöne Rückmeldung und Bestätigung ist. Ja – wenn ich das jetzt noch ein bisserl kitschiger formulieren würde - dann ist es wie eine kleine Liebeserklärung. Man kann einfach kein Wochenende und keine Woche bei mir verbringen, wenn man mich nicht doch irgendwie mag, weil ich in meinem Reich einfach sehr präsent bin. Und obwohl bei mir die Wände ein bisserl schief, die Teller und das Besteck aus Altbeständen und vom Flohmarkt, die Einrichtungsgegenstände alt, die Handtücher von anderen Haushalten aussortiert sind,… muss mein Platz doch eine Energie haben, die eine gute ist, eine zum Wohlfühlen und Wiederkommen. Das ehrt mich.

Ich glaube, dass bei mir einfach vieles sein darf, vieles wachsen darf, vieles entstehen darf.

Bei mir finden sich z.B. ganz viele Vögel im Garten ein, weil sie einfach da sein können.

Bei mir fühlen sich auch die Spinnen sehr wohl. Heuer konnte ich viermal beobachten, wie sie sich vermehren. Zitterspinnenmama mit ganz vielen Zitterspinnenkindern. Diese bleiben ca. eine Woche rund um die Mama, dann schwärmen sie im Haus aus. Also auch ein guter einfach-sein-Platz für Zitterspinnen. Und das für mich besonders schöne ist, dass viele Kinder, die sehr überzeugt behaupten, Spinnen nicht zu mögen, gewöhnen sich bei mir ganz entspannt an meine Haustiere und finden es sogar lustig, kurz mit den Fingern hinzutupfen und ihnen beim Tanzen zuzuschauen.

Bei mir sind heuer im Hochbeet, in dem ich eigentlich Karotten angepflanzt habe, zwei Paradeiserpflanzerl aufgegangen. Es waren Ochsenherz. Die müssen über die Komposterde den Weg in meinen Garten gefunden haben, weil ich diese selbst noch nie angebaut habe. Ich hab im Jahr 2021 nur eine Steige dieser Sorte von einer Nachbarin zum Einkochen geschenkt bekommen.

Und alle zwei Jahre verwandelt sich der Apfelbaum, den mir meine SchülerInnen zum Abschied geschenkt haben, in einen Märchenbaum, der mich mit köstlichen Äpfeln bis ins Frühjahr hinein versorgt.

Das alles passiert einfach – manches wird schon gefördert, aber es wird vor allem sehr wenig unterbunden.

Und auch ich selbst darf an meinem Platz ganz viel so sein, wie ich sein will. Auch ich darf wachsen (natürlich nicht auf Körpergröße bezogen – ich bin ja schon wieder beim schrumpfen), darf immer wieder neu entstehen und einfach sein.

Dabei sind heuer wieder mal weiße Bilder entstanden – aber halt ein bisserl mehr als weiß.

Ein Platz, der für vieles offen ist und sich nur für wenige Dinge und Situationen verschließen möchte. Natürlich darf bei mir nicht alles sein.

Ja - und damit mein Platz auch für mich so ein guter Platz bleibt, kommen nächstes Jahr nicht mehr so viele Gäste. Es gibt kein Osterwerkln mehr, keine Herbstferien mehr und ich fange erst Mitte April an. Und ich gönne mir jeden Monat ein freies Wochenende. Ihr seht – ich bin ganz schön luxuriös unterwegs.

Über den Luxus des Lebens könnte man ja jetzt ganz lange schreiben – das habe ich aber schon in dem Buch vom letzten Jahr versucht für mich zusammenzufassen. Ich will euch nur kurz eine Begebenheit aus dem Lehrerinnenzimmer meiner ehemaligen Schule schildern. Als ich im Herbst wieder mal zu Besuch war, fragte mich eine Kollegin, wie es mir geht und meine Antwort war: „Gut, aber einfach zu viele Gäste“. Daraufhin lachte sie und gab mir zur Antwort: „Na, Hauptsache der Rubel rollt.“ Und dann lachte sie wieder sehr zufrieden mit ihrem Scherz. Und ich merkte, dass ich mittlerweile in einer ganz anderen Welt angekommen bin und nicht mehr tauschen möchte. Ich halte mich da lieber an Dolly Freed:
„Es ist einfacher, sich daran zu gewöhnen, auf manche Dinge zu verzichten, die man mit Geld kaufen kann, als das Geld zu verdienen, um sie zu kaufen.“

Das Gefühl einfach zu sein, versorgt zu sein und eigentlich ganz wenig Konsumtechnisches zu brauchen, ist einfach bereichernd. Mir geht es sogar so gut, dass ich mit diesem Teuerungsgejammer nicht mitjammern muss. Ja, ich weiß schon, Butter kostet ein bisserl (genau 90 Cent im Vergleich zum Juli 2021) mehr, und auch das Mehl,…. Aber – ist es nicht so, dass es höchst an der Zeit wird, dass wir Preise für Produkte zahlen, die würdig sind? Und ist es nicht unsere letzte Chance, von unserem durchschnittlich viel zu hohen Konsumniveau runter zu kommen? Haben wir Erwachsenen nicht für die nächsten fünf Jahre genug Gewand, Computer, …? Ich weiß schon, wenn das alle so sehen würden, würden wir in eine ganz große Wirtschaftskrise schlittern, aber glücklicherweise sehen das nicht alle so. Und weil es von Funny von Dannen dazu so ein wunderschönes Lied gibt – hier der Link.

Und ich weiß schon, dass es da leider schon Menschen gibt, die durch das gerade Teurerwerden in eine schwierige Lage kommen. Aber die waren das schon davor und das ist ein prinzipieller Systemfehler. Also müsste man dieses völlig absurde Wirtschaftssystem ändern, dann kann man mit dem Teurerwerden ruhig so weiter tun, wenn es das braucht, damit unser Wahnsinnskonsum endlich ein bisserl zurückgefahren wird.

Ich habe mich jetzt für diesen Jahresrückblick und diese – mir schon bewusst, sehr kecken Zeilen – hingesetzt und habe die Rechnungen, die für die Sommerwerklwoche angefallen sind, durchforstet. Das Ergebnis bestätigt mein Gefühl – es alles nicht so wild. Die letzten Jahre habe ich versucht, mit 50 € pro Kind für Essen und Material auszukommen, heuer waren es 53,16. Bis jetzt waren es so ca. 25 für Essen und 25 für Material. Heuer waren es 30,60 für essen und 22,56 für Material. Hat sich also ein bisserl verschoben – und trotzdem: diese 3,16 sind Peanuts.

Und da ich euch an meinem Luxus teilhaben lassen möchte, steigen meine Preise nächstes Jahr nicht. Und die Werklwoche wird sogar wieder um 10 € billiger. Ich bin nämlich eine Trendsetterin, müsst ihr wissen. Ich leite jetzt wieder den Gegentrend ein. Weniger Geld und mehr Leben. Kinder- und Erwachsenenwochenendpreise bleiben.

Weil das einzige, was sich für mich heuer ein bissi teuer angespürt hat, war, dass das Pflegen meines Gartens, das Verwalten meines Reiches nicht genug Raum bekommen hat.

In diesem Sinne wünsche ich euch und mir ein Jahr mit viel Zeit mit Ideen, die einfach kommen dürfen - hier die Station einer Geburtstagsrätselrallye – einen Farbkreis aus Naturmaterial legen. Ich war ganz beglückt über diese so schöne Idee, die da einfach so in mir gekommen ist. Kinder in die Wiese und den Wald zu schicken, um die Herbstfarben in ihrer Pracht zu sehen, zu suchen und zu sammeln. Wie schön ist das denn!

Ein Jahr mit viel Zeit, um Besonderheiten – und seien sie noch so banal – wahrzunehmen, um ihnen dann zu erlauben, sich als Glücksgefühl in einem breit zu machen.

Einfach in den Himmel zu schauen

Einfach im Wald ein Teil vom Wald zu werden.

Einfach die Rätsel der Verwandlung und den Zauber von Struktur und Schönheit zu spüren.

Ich wünsche mir und euch ganz einfach Reichtum.